Friseure im Lohnhimmel?

Wer sich am Mindestlohn orientiert, sollte sich einen anderen Job suchen


Ab August 2015 wird es in der Friseurbranche einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde geben.

Darauf einigten sich die Landesverbände und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor einigen Tagen bereits in der ersten Verhandlungsrunde. Grund zum Aufatmen oder eher ein Tropfen auf dem heißen Stein? Reicht diese Maßnahme tatsächlich aus, um qualifizierten Nachwuchs für den Friseurberuf zu begeistern und das Image der Branche langfristig anzuheben? Und welche Konsequenzen zieht die Mindestlohnregelung für Friseurkunden und Angestellte nach sich. Wie wird es Salons ergehen, die ihre Angestellten nun „offiziell“ bezahlen müssen? Ralf Steinhoff, Friseurunternehmer aus Reutlingen, kommentiert.

Oberflächlich betrachtet ist die Einigung zur Anhebung des Mindestlohns für Friseure sicherlich ein Meilenstein in der Anerkennung ihres Berufes. Vor allem nach der katastrophalen Medienpräsenz der vergangenen Monate - ich erinnere keine Talkshow, in der es um Hungerlöhne ging, wo nicht eine „Friseuse“ mit 3,50 Euro Stundenlohn herhalten musste.

Abwanderung in die Schattenwirtschaft?

Doch keine Rose ohne Dornen! Kunden werden mit Preiserhöhungen zu rechnen haben, vor allem diejenigen, die sich bisher im Zuge der „Geiz-ist-Geil-Hysterie“ über Dumpingpreise beim Friseurdiscounter gefreut haben, ohne zu wissen, dass Dumpingpreise auch und vor allem mit Dumpinglöhnen einhergehen. Dieses Geschäftsmodell dürfte nun nicht mehr aufgehen. Denn um die höheren Löhne nach der tariflichen Anpassung bezahlen zu können, müssen die Billigfilialisten und Discounter zunächst die Qualität in ihren Salons hochfahren, bevor sie die Preise entsprechend anpassen können. Diesen Weg werden aber nicht alle der dort angestellten Friseure mitgehen können. Und genau hier rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit, wo zu viele junge Menschen zu schlecht ausgebildet wurden und daher gar nicht die Voraussetzungen für den Beruf mitbrachten. Gleichzeitig wurden die Billigkonzepte von den marktführenden Zulieferfirmen und den angeschlossenen Beratern gefördert bis hin zu Beteiligungen. Diese Salons wurden mit den schlecht vorbereiteten und schlecht ausgebildeten Friseuren bevölkert – mit verheerenden Folgen für den Ruf unserer Branche. Dadurch wurde die Qualität des Nachwuchses noch geringer, sodass man leider sagen muss, dass der niedrige Lohn für die Leistung, die manche Friseure/Friseurinnen abliefern, auch gerechtfertigt ist. Die Gefahr besteht, dass diese Mitarbeiter, die höhere Löhne nicht erwirtschaften können, nun mit ihren Kunden in die Schattenwirtschaft abwandern. Hier ist die Politik, sind die Verbände und Innungen gefordert, mit stärkeren Kontrollen für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.

Kampf dem Schwarzgeld – sonst bleibt der Mindestlohn ein PR-Gag!

Des weiteren steht leider zu befürchten, dass die Einführung eines Mindestlohns durch eine Reduzierung der Arbeitszeit ausgeglichen wird. Diese Tricksereien werden gerade in den Bundesländern mit hohen, allgemeinverbindlichen Tarifen wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen von vielen Inhabern größerer Friseurunternehmen beobachtet. Hier wird in jedem zweiten Einstellungsgespräch deutlich, dass bei der letzten Arbeitsstelle zusätzlich zum Festlohn als Leistungslohn Schwarzgeld gezahlt wurde. Der Tarifvertrag wird dabei umgangen, indem die Arbeitszeit niedriger angesetzt wird. Teilweise werden sogar Leistungen von der Agentur für Arbeit bezogen. Hier müssen dringend Kontrollen durch den „Zoll“ durchgeführt werden, sonst bleibt der Mindestlohn ein reiner PR-Gag! Als Signal für mehr qualifizierten Nachwuchs taugt der Mindestlohn sicherlich auch nichts. Auch ein kolportierter Stundenlohn von 8,50 Euro ist für junge Berufseinsteiger eher abschreckend als motivierend. Von „Anwesenheitsprämien“ wird jedenfalls niemand satt.

Herzstück eines Friseurunternehmens muss die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter sein

Um Friseurkunden eine so hohe Qualität bieten zu können, dass sie auch die dafür nötigen Preise gerne bezahlen, muss das Herzstück eines Salon-Qualitätsmanagements die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter sein! Als eigentlichen Meilenstein für die Branche sehe ich in diesem Zusammenhang daher auch vielmehr eine brandaktuelle Entscheidung des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks. Nach langer Auseinandersetzung um eine Alternative zur klassischen dualen Ausbildung haben sich Verband und eine renommierte private Friseurschule darauf verständigt, eine privatschulisch orientierte Ausbildung zur Gesellenprüfung zuzulassen. Diesen Beschluss erachte ich als wesentlich zukunftsorientierter für unsere Branche als die Anhebung des Mindestlohns. Denn leider ist das Niveau an der klassischen Berufsschule derart niedrig, dass man dies seinen Azubis schier nicht zumuten kann.

Mitarbeitermotivation durch ein leistungsgerechtes Lohnsystem

Die Azubigehälter haben wir in unserem Salon zum Beispiel entsprechend der Empfehlung des Landesinnungsverbandes übertariflich (ca. 10%) gestaltet, um auch hier Signale an den Arbeitsmarkt zu senden:

  1. Lehrjahr: 450 Euro
  2. Lehrjahr: 500 Euro
  3. Lehrjahr: 600 Euro

Bei der von uns empfohlenen privaten Variante übernimmt der Auszubildende die Lehrgangskosten, erhält dafür aber im dritten Lehrjahr eine Vergütung in Höhe von 1100 Euro plus einer Umsatzbeteiligung. Zusätzlich zu den Grundvergütungen zahlen wir eine Verkaufsprovision von 15 % vom Nettoverkaufsumsatz ab dem ersten Euro. Die Auszubildenden sollen von Anfang an lernen, ihre Produktivität, d.h. den Umsatz pro Kunden durch exzellente Beratung und Betreuung zu steigern und auch den Lohn dafür bekommen. Gut ausgebildete Beauty-Friseure können also durchaus sehr gut verdienen. Das beste Beispiel ist Steffi Lippet, die im Salon gelernt hat und mittlerweile im vierten Gesellenjahr ein Bruttogehalt von 3100 Euro bezieht. Hinzu kommt noch das Trinkgeld, das zwischen 200 und 300 Euro ausmacht und nicht versteuert werden muss!

Ausgangspunkt der Leistungslohnberechnung ist das tarifliche Mindest- oder das vereinbarte Fixgehalt (Topstylisten erhalten 1900 Euro) und der kostendeckende Sollumsatz des Mitarbeiters. Für die über dieses Soll hinausgehenden Umsätze schütten wir 30 % Umsatzprovision aus, wobei der Verkauf zu 50% in die Berechnung einbezogen wird. Die Anzahl der Umsatzträger im Salon und damit der Team-Erfolg haben über den Gemeinkostenanteil einen Einfluss auf die Höhe des Sollumsatzes und damit auf den Lohn. Dieser Leistungslohn stellt auch die Grundlage für die Berechnung der Lohnfortzahlung bei Urlaub und Krankheit dar. Dies wird möglich durch ein in der Branche unübliches Lohnsystem, das auf Jahreszahlen und nicht auf ständig schwankenden Monatsumsätzen aufbaut. Dadurch können sich Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum auf ihren Lohn verlassen. Durch dieses Lohnsystem erarbeitete sich eine Mitarbeiterin im 2. Gesellenjahr einen Bruttolohn von 2600 Euro plus Trinkgeld! Für den Mindestlohn oder das Tarifgehalt haben solche Top-Stylistinnen nur ein müdes Lächeln übrig.

Wer sich am Mindestlohn orientiert, sollte sich einen anderen Job suchen.

Durch permanente Arbeit an der Qualität der Dienstleistungen rechtfertigt sich ein hohes Preisniveau, um die für die hohen Löhne notwendigen Umsätze zu erzielen. Durch die Leistungslohngestaltung partizipieren Mitarbeiter direkt am Salonerfolg.

Grundsätzlich sehe ich für den Beruf des Beauty-Friseurs goldene Zeiten anbrechen! Die Friseure sollten sich die richtigen Salons suchen, die ihnen die Entfaltung der in ihnen schlummernden Fähigkeiten ermöglichen! Was war noch gleich der Mindestlohn? Wer sich an dem orientiert, sollte sich einen anderen Job suchen! Denn wer weit werfen will, muss auch weit ausholen!

Ralf Steinhoff:

-          Diplomkaufmann an der Fernuniversität Hagen

-          Diplomarbeit über kommunikative Unternehmensethik

-          Mit Unterbrechungen in der Friseurbranche tätig seit 1985

-          Seit 2001 als Geschäftsführer von Steinhoff Haardesign
           gemeinsam mit seiner Frau in Reutlingen

-          11/2011 Umzug in die neuen Räumlichkeiten "ALTE FEUERWACHE" in    Reutlingen

-          www.friseur-reutlingen.de

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