WELT am Sonntag
Waschen, schneiden, sparen. Der Billigfriseur-Report
Elif Maryan hastet zur Supermarkttoilette gegenüber dem Friseursalon. Seit sechs Stunden schneidet, wäscht und tönt die 22-Jährige im Akkord, nun kommt sie das erste Mal dazu, den Laden zu verlassen. Aber nur kurz.
Sie habe gerade wenig Zeit, sagt sie beim Händewaschen, der Laden sei am frühen Nachmittag immer voll. Aber sprechen wolle sie gern über ihren Job – wenn die Reporterin später wiederkomme und sich dabei die Haare schneiden lasse.
Der Salon liegt im Gebäude eines Supermarkts in einer schmuddeligen Ecke von Köln, direkt hinter den Kassen. Tageslicht gibt es hier nicht. Die Kunden parken ihre vollgepackten Einkaufswagen vor der Tür, statt Musik hört man das Piepsen der Kassenscanner. Der Salon, alles für 13,50 Euro, gehört zur Kette HairExpress. Die wiederum zum börsennotierten Konzern Essanelle.
Unbezahlte Überstunden sind normal
Beim Haarewaschen im Neonlicht sagt Maryan, die in Wirklichkeit anders heißt, dass unbezahlte Überstunden normal seien bei Discountern. Das hänge mit den Arbeitsverträgen zusammen, die vorgeben, wie viel Geld ein Friseur für seinen Arbeitgeber verdienen muss.
"Bei uns soll man drei Mal seinen Bruttolohn als Umsatz reinholen." Natürlich müsse man "ordentlich reinhauen", um das zu erreichen. Mittagspause mache sie so gut wie nie. "Ich stehe meistens da hinten im Pausenraum", sagt sie und zeigt auf ein winziges Zimmer an der Rückwand des Ladens, "und drücke mir mein Brötchen rein oder rauche eine."
Bundesweit berichten etliche Kollegen von Maryan über den großen Druck bei Billigfriseuren, kaum erreichbare Umsatzziele, unbezahlte Überstunden.
Das Konzept Billigfriseur boomt
Das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen steht kräftiges Wachstum. Das Konzept Billigfriseur boomt: Laut Branchenschätzungen ist mittlerweile schon fast jeder zehnte Friseur ein Discounter, bei dem Haare schneiden und andere Dienstleistungen pauschal unter 15 Euro kosten und die Friseure wie am Fließband arbeiten.
Was Kunden mit Schnäppchenmentalität freut, wird auf dem Rücken der Angestellten ausgetragen: Die billigen Haarschnitte lassen sich oft nur anbieten, wenn die Betreiber der Ketten Rechtsverstöße in Kauf nehmen.
Das jedenfalls sagen Branchenexperten wie der Friseurmeister René Krombholz, der sich mit seiner Initiative "Der faire Salon" für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt und häufig von Betroffenen kontaktiert wird.
"Solche Preise, je billiger, desto schlimmer, funktionieren auf Dauer nur, wenn man mit unbezahlten Überstunden plant", sagt er. Gängig sei auch, Krankheitszeiten vom Lohn abzuziehen oder Mitarbeiter in zu niedrige Lohnstufen einzuordnen.
Verstöße gegen das Arbeitsrecht sind Alltag
Friseure mehrerer Billigketten bestätigen, dass solche Verstöße bei ihnen Alltag seien. Mitarbeiter regionaler Discounter ebenso wie Angestellte bundesweiter Ketten mit über 100 Filialen klagen über fehlende Pausen, die wegen der eng getakteten Arbeit nicht genommen werden können, und darüber, dass ihre tatsächliche Arbeitszeit weit länger dauere als die bezahlte. Der "Welt am Sonntag" liegen eidesstattliche Versicherungen und Arbeitsverträge der Friseure vor.
Der Druck auf die vergleichsweise gering bezahlten Handwerker ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch illegal. Denn in der Friseurbranche gelten in acht Bundesländern allgemeinverbindliche Tarifverträge.
Unter anderem in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen müssen alle Salons die darin festgelegten Löhne zahlen und sich an die tariflichen Arbeitszeiten halten. Auch, wenn sie nicht Mitglied im Innungsverband sind.
Doch mancher Arbeitgeber hält diese Regeln nicht ein. Weil er nicht kann? Der Wettbewerb ums Haareschneiden ist hart: Seit 2001 ist die Zahl der Salons um ein Viertel gestiegen, während der durchschnittliche Umsatz jedes Jahr sank. Nur zwei Drittel aller Deutschen gehen überhaupt zum Friseur.
Fristlose Kündigung
Für Josefa Cortes Perez, Friseurmeisterin aus Karlsruhe, endete der Stress beim Discounter am 12. Dezember 2011. An diesem Tag nahm sie ein Einschreiben von ihrem Arbeitgeber entgegen, der Hamburger Firma C&M Company.
Darin stand: "Hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, d.h. fristlos mit wichtigem Grund." Etwa gleichzeitig mit der 45-Jährigen erhielten zwei Kolleginnen die fristlose Kündigung.
Die drei hatten sich geweigert, einen Änderungsvertrag zu unterschreiben, der ihre Grundvergütung senken sollte, im Fall von Cortes Perez von 1755 Euro brutto auf 1460 Euro. Dafür sollte mehr Geld "erfolgsabhängig" gezahlt werden.
Erfolg lässt sich bei C&M an einer einzigen Zahl ablesen: 220 Euro. So viel Mindestumsatz muss ein Angestellter jeden Tag bringen. Das steht im Standard-Arbeitsvertrag des Unternehmens, der dieser Zeitung vorliegt.
220 Euro bei einem Pauschalpreis von elf Euro für alles bedeutet: Jeden Tag 20 Kunden die Haare schneiden, färben oder fönen. Mindestens. In einer Arbeitszeit von acht Stunden. Schafft ein Angestellter das auch nur an einem einzigen Tag nicht, droht die Kündigung.
Größte Kette Deutschlands
C&M ist mit 179 Filialen eine der größten Friseurketten Deutschlands. Alles kostet dort elf Euro, an manchen Standorten zwölf.
So weitverbreitet solche Umsatzvorgaben sind: Legal sind sie nicht. "Es ist rechtlich bedenklich, dass der Arbeitgeber in einem Discount-Salon die Bringschuld für den Umsatz auf den Arbeitnehmer verschiebt", sagt Daniel Ulber, Arbeitsrechtsexperte an der Universität Köln, der mehrere Verträge für die "Welt am Sonntag" geprüft hat.
Ein Friseur könne im Gegensatz zu einem Versicherungsvertreter kaum beeinflussen, ob Kunden in den Laden kommen oder nicht. Die ihm vorgelegten Klauseln seien auch deshalb unwirksam, weil sie die Anforderungen der Rechtsprechung für eine Kündigung wegen Minderleistung nicht erfüllten, erklärt er.
"Das Perfide ist, dass dadurch psychologischer Druck auf die Angestellten ausgeübt wird. Es wird suggeriert, eine Verletzung der Klauseln wäre ein Kündigungsgrund, obwohl dem nicht so ist."
Ähnlich sieht es die Gewerkschaft Ver.di. Ein Friseur habe seine Pflicht erfüllt, wenn er "acht Stunden anwesend sei und in dieser Zeit Haare schneide, wenn Kunden da sind", sagt Andrea Becker von Ver.di NRW. Die Manager der Ketten dagegen argumentieren, ein Friseur könne es sich nicht leisten, auf Dauer einen Angestellten zu bezahlen, der nicht ausgelastet sei.
Essanelle zahlt "mindestens Tarifgehalt"
Bei HairExpress, sagt Essanelle-Vorstand Achim Mansen, funktioniere das Geschäftsmodell durch die reine Größe. Der Deckungsbeitrag pro Filiale sei zwar nicht groß, "für einen Einzelunternehmer wäre das zu wenig zum Überleben", doch über 259 Filialen hinweg läppere sich eine ordentliche Summe zusammen.
Sein Unternehmen zahle "mindestens Tarifgehalt", auch die tarifliche Arbeitszeit werde eingehalten. Natürlich könne es vorkommen, dass ein Angestellter keine Mittagspause machen könne. Dafür gebe es aber Leerlauf zu anderen Tageszeiten.
Er bestätigt, dass es Umsatzvorgaben in den Verträgen seiner Firma gebe. "Darin steht aber nicht, dass Mitarbeiter gekündigt werden können, wenn sie die unterschreiten." Seinen Standardvertrag will Essanelle lieber nicht vorlegen.
Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte die Firma rund 127 Millionen Euro Umsatz. Während die Einnahmen der anderen, teureren Sparten stagnierten, wuchsen sie bei HairExpress, das insgesamt 259 Filialen hat.
Medienberichte sind gefürchtet
Mansen und seine beiden Vorstandskollegen bei Essanelle sagten vor einigen Monaten, es gebe nur wenige Dinge, die das Unternehmen so fürchten müsse wie Medienberichte über vermeintlich schlechte Arbeitsbedingungen. Deshalb achte man darauf, keine "Brandherde" entstehen zu lassen.
Die brauche man nicht zu fürchten, solange es keine Anstifter gebe, sagt Branchenkenner Krombholz, der Wert auf die Feststellung legt, dass Essanelle seine Mitarbeiter besser behandle als andere Discount-Anbieter.
"In der Branche ist es unglaublich schwer, die Mitarbeiter zu positiven Veränderungen oder Protesten zu bewegen. Fast keiner traut sich, öffentlich etwas zu sagen über die Zustände." Schuld sei die Alternativlosigkeit, in der viele steckten.
Wer bei einem Discounter gelernt habe, bekomme schwer eine Stelle bei einem höherwertigen Friseur, weil ihm Fertigkeiten fehlten: Wie dreht man einer Dame die Haare auf, wie macht man eine Fönfrisur? Also bleibe vielen nur der Wechsel zum nächsten Discounter. Dazu komme ein "allgemeines Informationsdefizit" der Friseure über ihre Tarifrechte.
Staatsanwalt ermittelt
Im HairExpress-Laden in Köln winkt Elif Maryan schon den nächsten Kunden ans Waschbecken. Wie lange sie pro Tag arbeite? Sie überlegt kurz, dann sagt sie: "Ungefähr neun Stunden." Laut Tarifvertrag darf ein Friseur für sein Grundgehalt nicht mehr als 39,5 Stunden pro Woche arbeiten. Das macht bei einer Fünf-Tage-Woche 7,9 Stunden pro Tag.
Wegen solcher Zahlen ermitteln immer wieder Staatsanwälte gegen die Geschäftsführer von Friseurketten. Denn mit unbezahlten Überstunden verstoßen die Unternehmen nicht nur gegen den Tarif, sondern betrügen auch den Staat um Sozialbeiträge.
Mitunter rücken die Staatsanwälte auch an, weil Friseure die Mitarbeiter in zu niedrige Tarifgruppen einordnen, etwa Meister wie Gesellen bezahlen. Gegen C&M ermittelte Anfang des Jahres zum wiederholten Mal die Staatsanwaltschaft, allerdings wurden die Ermittlungen wieder eingestellt.
Sozialversicherungsbeträge nicht vollständig abgeführt
Im vergangenen Frühjahr standen in Villingen-Schwenningen zwei prominente Angeklagte vor Gericht: Michael Klier und Rolf Göcking, Geschäftsführer der bundesweiten Friseurkette Klier.
Wenige Monate zuvor war eine Regionalleiterin der Firma wegen untertariflicher Bezahlung Angestellter zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Anklage gegen die Chefs lautete auf Vorenthalt von Arbeitsentgelt und zu wenig abgeführte Sozialversicherungsbeiträge.
Das Verfahren endete mit einem Freispruch. Klier sagt rückblickend, die Anklage sei auf eine einseitige Ermittlungstaktik zurückzuführen gewesen. Die Marke Klier, mehr als 650 Filialen, sei "im mittleren Preissegment" angesiedelt.
Doch zur Gruppe gehört auch der "Friseur der kleinen Preise" mit rund 200 Filialen. Zwölf Euro kostet dort eine Dienstleistung, was Klier "nicht discountig" findet. Überstunden würden stets ausgeglichen oder ausgezahlt, sagt er.
Tarifrechtsverstöße sind einkalkuliert
Warum das Prinzip Billigfriseur oft nur mit Arbeits- und Tarifrechtsverstößen funktionieren kann, lässt sich am Beispiel C&M durchrechnen. Wenn ein Friseur 20 Kunden am Tag die Haare schneiden, tönen oder Strähnchen machen muss und jeweils eine halbe Stunde braucht, kommt er auf zehn Stunden Arbeitszeit am Tag – ohne Mittagspause.
Das würde eine Arbeitszeit von mehr als 50 Stunden pro Woche ergeben. Der Laden wäre dann noch nicht aufgeräumt, die Kasse nicht gemacht, Haare nicht zusammengefegt. Bei Cortes Perez etwa standen 42,5 Arbeitsstunden im Vertrag. Das bedeutet, dass sie nach eigener Darstellung rechnerisch pro Woche 7,5 unbezahlte Überstunden leisten musste.
Die Firma C&M lässt Fragen der "Welt am Sonntag" von einem Anwaltsbüro beantworten. Die Juristen schreiben, es treffe nicht zu, dass die tatsächliche Arbeitszeit der Angestellten höher liege als in den Verträgen vereinbart. Mehrarbeit werde stets in Freizeit ausgeglichen.
"Hier eine Art von System zu unterstellen, ist verfehlt." C&M sei von den jüngsten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Vorwurfs des Vorenthalts von Arbeitentgelt nichts bekannt. Die billigen Preise könne C&M durch seine günstigen Einkaufskonditionen anbieten und durch einen "ertragreicheren Kundendurchlauf", das heißt, dass sich etwa mehr Kundinnen Strähnchen machen ließen als bei anderen.
Wenig Trinkgeld bei Discountern
Ein Friseur verdient im Durchschnitt 15.787 Euro brutto pro Jahr, hat das Statistische Bundesamt vor ein paar Jahren ermittelt. In der Branche schätzt man, dass der Wert noch aktuell ist – vor allem, wenn man all jene einrechnet, die unfreiwillig auf 400-Euro-Basis arbeiten. Dazu kommt das Trinkgeld, das nicht versteuert werden muss.
Doch gerade bei Discountern zahlten die meisten Kunden nur ein paar Cents, erzählen Friseurinnen. Ihren Kunden käme es ja gerade nicht auf freundliche Bedienung und guten Service an – sondern eben vor allem auf den Preis.
Über mehr Trinkgeld hätte sich Marina Danelhi (Name geändert) sicher gefreut. Sie war lange eine der unfreiwilligen 400-Euro-Arbeiterinnen, berichtet die 25-Jährige in einem Café im Düsseldorfer Hauptbahnhof. Seit November ist die hübsche junge Frau mit langem dunklem Pferdeschwanz arbeitslos. Für sie ist es das vorläufige Ende einer Karriere durch die Billigsalons der Region, die vor vier Jahren begann.
400-Euro-Verträge statt Festanstellung
"In der ganzen Zeit hatte ich nur einmal für ein paar Monate einen richtigen Arbeitsvertrag", erzählt sie. Sonst hätten ihre Arbeitgeber sie mit 400-Euro-Verträgen vertröstet, obwohl sie Vollzeit arbeitete.
"In einem Salon wurden wir einzeln in den Pausenraum gerufen und bekamen unseren Geldumschlag", berichtet sie. In einem weiteren Laden, der zu einem kleinen Discounter im Rheinland gehörte, alles für elf Euro, sei der Spardruck besonders groß gewesen.
"Wenn wir Farbe für Strähnchen gemischt haben, mussten wir anschließend mit dem Tiegel zum Chef laufen, wie ein Hündchen, und zeigen, wie viel Farbe noch übrig war. War es zu viel, mussten wir fünf Euro in ein Sparschwein werfen."
Regelmäßig habe der Chef Mitarbeiter in die Drogerie geschickt, um Shampoo zu kaufen, das dann in die Flaschen von Markenherstellern wie Goldwell umgefüllt wurde, sagt die Friseurin.
Arbeitsvertrag zerrissen
Sie habe sich mit dem Chef überworfen, nachdem sie bei der Handwerkskammer angefragt hatte, ob es richtig sei, dass sie und ihre Kolleginnen vier Wochen fast ohne freie Tage durcharbeiten müssten.
"Ich habe den Chef kurz danach gefragt, ob ich einen neuen Ausdruck von meinem Arbeitsvertrag haben könnte, weil meiner ganz schief ausgedruckt war", erzählt sie. Er habe sie daraufhin aufgefordert, ihm den Vertrag zu zeigen.
Als sie ihn dem Chef gab, habe der ihn kurzerhand zerrissen. "Drei Tage später bekam ich von ihm eine SMS, dass unser Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehen würde." Für eine Klage fehle ihr die Energie und das Geld, sagt sie.
Geht es in der Politik um Niedriglöhne, müssen fast immer Friseure als Beispiel herhalten. In Thüringen etwa beträgt der tarifliche Grundlohn für Gesellen monatlich 613,55 Euro. Kritiker wie Krombholz fragen allerdings: Helfen strengere Lohnvorgaben, wenn schon die heutigen nicht eingehalten werden und die Mitarbeiter sich nicht wehren?
Verbände wollen sich nicht äußern
Die Verbände wollen sich zum Thema Discounter nicht äußern. Beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks in Köln weist der Pressesprecher darauf hin, dass die Branche dringendere Probleme habe, etwa die Mehrwertsteuerfreigrenze: Kleinstunternehmen mit einem Jahresumsatz unter 17.500 Euro sind von der Steuer befreit. Und dieser Wettbewerb durch die Mikrobetriebe setze die Friseure unter Preisdruck.
Wohin das führen kann, zeigt sich bei C&M. Laut Pflichtangaben im elektronischen Bundesanzeiger hat das Unternehmen im Jahr 2010 einen Verlust von fast 1,4 Millionen Euro eingefahren.
Das Branchenmagazin "friseur-intern" berichtete, der Hauptlieferant der Kette, die Procter-&-Gamble-Tochter Wella, habe eine Bürgschaft in Höhe von drei Millionen Euro abgegeben, um C&M zu stützen. Die Friseurkette kommentierte den Bericht nicht.
Mobbing gegen Mitarbeiter
Klaus Lebherz hat bis vor rund einem Jahr als Bezirksleiter die Region Nordbayern für C&M betreut. Im April 2011, erzählt er, kam für ihn der Bruch mit dem Unternehmen. Damals habe Geschäftsführer Andres Cercós die Bezirksleiter aufgefordert, die umsatzschwächsten Mitarbeiter fristlos und unter Einbehalt der ausstehenden Lohnzahlungen zu entlassen.
Dafür sollten sie zehn bis 20 Mitarbeiter pro Bezirk wegen Verdachts auf Unterschlagungen oder "Blaumachen" benennen. Lebherz sagt, er habe nicht mitmachen wollen und stattdessen gefordert, Tariflöhne zu bezahlen. Daraufhin habe er selbst die fristlose Kündigung erhalten.
Seither sammelt Lebherz Belege für mögliche Rechtsverstöße von C&M. "Allein für Bayern komme ich auf Bruttolöhne in fünfstelliger Höhe, die das Unternehmen pro Monat zu wenig zahlt", sagt er.
Aus ganz Deutschland lägen ihm Lohnabrechnungen und Arbeitsverträge vor, aus denen sich ergebe, dass die gezahlten Stundenlöhne weit niedriger seien als der Tariflohn.
Firma weist Vorwürfe zurück
C&M lässt seine Anwälte dazu mitteilen: "Schwarzarbeit wird weder geduldet noch auch nur ansatzweise praktiziert." In einer früheren Stellungnahme warf die Firma Lebherz außerdem vor, er verfolge ein Eigeninteresse, da er einen eigenen Friseursalon eröffnet hat – "kammback" heißt der.
Für Lebherz ist klar: Das Geschäftsmodell der Discounter funktioniere nicht mehr auf legale Weise, seit die allgemeinverbindlichen Tarifverträge die Arbeitskosten verteuert hätten – schließlich ist der Lohn der mit Abstand größte Kostenfaktor an einem Haarschnitt.
"Es geht einfach nicht, solche Preise anzubieten, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Ich habe es ausgerechnet."
Josefa Cortes Perez aus Karlsruhe brachte ihren ehemaligen Arbeitgeber vor das Arbeitsgericht. C&M hatte ihr für die letzten Wochen im Unternehmen nur den niedrigeren, neuen Lohn gezahlt – obwohl sie die entsprechende Änderungsvereinbarung nicht unterschrieben hatte.
"Ich konnte in dieser Zeit meine Miete nicht zahlen, war schon zwei Monate im Rückstand", sagt sie. In einem Vergleich erstritt sie sich die ausstehende Summe. Und musste trotzdem noch einen Monat warten, bis ihr die Rückstände überwiesen wurden