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Gegen Billiglöhne und dubiose Praktiken - Die NRZ 2012


13 Euro für eine Dauerwelle beim Friseur um die Ecke? Klingt günstig, doch die Niedrigpreise gehen auf Kosten anderer. Fünf Euro fürs Material, eine Stunde Arbeitszeit, dann die Mehrwertsteuer - für den Angestellten bleibt da nichts mehr übrig.

„Da geht’s in den absolut roten Bereich“, sagt Rene Krombholz. Der Düsseldorfer geht gegen Lohn-Dumping und Billigketten vor, die immer noch wie Pilze aus dem Boden schießen. Er kämpft mit der Initiative „Der faire Salon“ um die Ehre des Berufsstandes.

Sechs Euro brutto bleiben

„Der Ärger war mein Antrieb“, sagt Krombholz, der die Initiative vor drei Jahren ins Leben rief. „Es gibt die Haarkosmetik-Ketten, die haben zum Teil bis 300 Salons in ganz Deutschland, verkaufen dort ihre eigenen Produkte, bezahlen Niedrig-Löhne und lassen ihre Mitarbeiter noch das Klo wischen, weil sie keine Putzfrau bezahlen wollen“, ereifert sich der 62-Jährige. Krombholz selbst betreibt mit seiner Frau Uschi den Salon „Figaro“ in Bilk. Bei einem Haarschnitt für 30 Euro bleiben dem Ehepaar sechs Euro brutto übrig. „Aber ich muss die Kunden trotzdem vernünftig behandeln“, sagt er. „Ich kann mich nicht verbiegen.“

Die Initiative startete als Internetprotest in einem kleinen Büro in Bilk, mittlerweile machen bundesweit 375 Unternehmen mit, dazu kommen Betriebe aus Österreich. Von Beginn an dabei war auch Jutta Henke, die seit fast 20 Jahren in Gerresheim in ihrem Laden „Sensation of Art“ den Leuten die Haare schneidet. „Es ist für mich nicht in Ordnung, wenn meine Kunden nach drei Wochen wieder auf der Matte stehen, um die Strähnchen aufzufrischen“, sagt Henke. „Ich setze auf qualitative Arbeit.“

 

Und die Initiative bringt die Dinge ins Rollen. Als vor einiger Zeit die Firma Schwarzkopf öffentlich jungen Frauen eine Ausbildung als „Farbbotschafterin“ versprach, ging Krombholz auf die Barrikaden. „Das war völlig am Friseurhandwerk vorbei gelenkt“, sagt der Bilker. „Die Frauen sollten den Leuten zuhause günstige Haarfarben verkaufen, ähnlich wie bei einer Drückerkolonne.“ Krombholz stellte ein Protestschreiben ins Internet. Die Friseurläden - darunter auch der von Jutta Henke - setzten ihre Unterschrift unter den Brief und schickten ihn weiter. Gleichzeitig wurde die Webseite des Unternehmens durch Hunderte kritische Kommentare lahmgelegt. Folge: Am Ende zog Schwarzkopf die Aktion zurück.

Krombholz will auch aufklären, seine Initiative soll als eine Art Gütesiegel verstanden werden. Mitmachen kann jeder, es gibt kein Aufnahmeverfahren, das Projekt unterliegt einer freiwilligen Selbstkontrolle über ein Branchenportal im Internet. Dort gibt es zudem die Möglichkeit, die Salons der Fair-Initiative zu bewerten, etwa so wie bei einer Hotelbenotung. „Dadurch, dass wir so schnell gewachsen sind, hat sich auch das ein oder andere schwarze Schaf eingeschlichen“, sagt Krombholz. Aber das System der Selbstkontrolle funktioniere ganz gut.

Lohndumping bis zu 1,50 Euro

Es gibt die Discountfriseure, deren Mitarbeiter eine dreimonatige Schnellausbildung bekommen, die sie auch noch aus eigener Tasche bezahlen dürfen. Diese Leute nennen sich Hair-Stylisten und dürfen, so Krombholz, „für sechs bis acht Euro brutto pro Stunde arbeiten“. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit - eine Arbeitseinheit des deutschen Zolls - wird bei Razzien immer wieder fündig und meldet Lohndumping von bis zu 1,50 Euro die Stunde.

Nach der Euro-Einführung begannen Anfang des neuen Jahrtausends für die Friseure schwere Zeiten. Viele Unternehmen mussten aus wirtschaftlichen Gründen Mitarbeiter entlassen. Die wurden dann vom Arbeitsamt auf die Meisterschule geschickt und danach in die Existenzgründung. Damals wurden in Düsseldorf neue Friseurläden im Akkord aufgemacht. „Es ist ein Überlebenskampf geworden“, sagt Krombholz.

Quelle NRZ / Stefan Wappner / 2012

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