Wer ist schuld?

Über Kammern - Innungen und Sondergenehmigungen. Ein Interview mit Dr.Axel Fuhrmann


Branchenkenner René Krombholz im Interview mit Dr. Axel Fuhrmann, dem Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf.

René Krombholz: „Die deutliche Zunahme der Friseursalons, meist ermöglicht durch Ausnahmegenehmigungen, erhitzt die Gemüter. Das insbesondere, da sich hieraus auch immer mehr Billigsalons und Barbershops entwickeln. Nicht wenige überschreiten die Zulassungsgrenzen, dürften streng genommen keinerlei Haarschnitte ausführen. Den Kammern wird vorgeworfen, blindlings im eigenen Interesse, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, da sich hieraus kostenpflichtige Mitgliedschaften für die Handwerkskammern ergeben. Dr. Fuhrmann, ist es wirklich so, dass die Handwerkskammern bemüht sind, möglichst vielen Betrieben den Zugang zum Markt zu ermöglichen, um die eigenen Kassen zu füllen?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Das ist Unsinn. Wir sind allein dem Gesetz – hier der Handwerksordnung – verpflichtet. In den Paragraphen 7 bis 10 steht, unter welchen Voraussetzungen wir die Eintragungen von Betrieben vorzunehmen haben. Auch wenn es immer wieder gerne kolportiert wird: Finanzielle Erwägungen spielen für uns keine Rolle.“

René Krombholz: „Wie weit kooperieren und arbeiten die Handwerkskammern im Interesse der Innungen?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Grundsätzlich: Wir haben ein großes Interesse an starken Innungen und Kreishandwerkerschaften! So können wir leistungsstarken Innungen das Prüfungswesen und die Durchführung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung übertragen. Unsere Innungen überprüfen zudem in einem ersten Schritt die Lehrverträge, die im Anschluss daran in die Lehrlingsrolle der Kammer eingetragen werden. Und natürlich helfen uns in vielen Fällen Innungsbeauftragte beim Aufspüren von handwerklicher Schwarzarbeit. Ich möchte daran erinnern, dass die Kammer Düsseldorf zu den wenigen im Bundesgebiet gehört, die mit inzwischen fünf „Schwarzarbeitsbekämpfern“ versucht, unlauteren Wettbewerb zu unterbinden. Und schließlich: Jeder Betrieb, den wir in der Handwerkskammer Düsseldorf eintragen, erhält ein Infoblatt über die örtlich und fachlich zuständige Innung.“

René Krombholz: „Mir persönlich ist ein Vorfall aus Ende 2018 bekannt. Der Innung war ein Betrieb in der Düsseldorfer Innenstadt wegen Sonntagsöffnung und billigsten Preisen aufgefallen. Dieser wurde von der Handwerkskammer überprüft, dabei wurde festgestellt, dass weder eine Gewerbeanmeldung noch ein Handwerksrolleneintrag vorhanden war. Dieses Unternehmen arbeitete zu 100 Prozent illegal. Es erfolgte eine schriftliche Anfrage an den Inhaber, der meldete dann plötzlich eine Friseurmeisterin als Betriebsleiterin, die aber offensichtlich niemals im dortigen Salon war. Damit war die Sache erledigt, der Salon ist bis heute geöffnet. Ohnehin entsteht der Eindruck, dass nicht wenige Betriebe auf diese Art (mit geliehenen oder gemieteten Meisterbriefen) betrieben werden. Was können Sie uns darüber sagen?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Dass Betriebe ohne Gewerbeanmeldung und Rolleneintrag vorkommen, ist eine traurige Tatsache, die es immer gab. Entscheidend ist, dass wir diese Betriebe in enger Abstimmung zwischen Kammer, Innung und Ordnungsämtern bzw. Zoll aufspüren und dann alle rechtlich zulässigen Maßnahmen durchführen. D.h. Anhörung, Ankündigung einer Löschung, Einschaltung des Ordnungsamtes und zwangsweise Schließung. Leider haben wir keinen Einfluss auf die Arbeitsweise von Ordnungsamt und Zoll. Dennoch habe ich den Eindruck, dass wir im Kammerbezirk in den letzten Jahren, auch durch unsere „Schwarzarbeitsbekämpfungs-Konferenzen“, das Thema stärker in den Fokus der Ordnungsbehörden gerückt haben. Na ja, und dass Friseurmeisterinnen und -meister sich mit 82 Jahren als Betriebsleiter eintragen lassen: Was soll ich dazu sagen?“

René Krombholz: „Wenn eine Handwerkskammer die Rückmeldung bekommt, dass ein Meister als Betriebsleiter eingestellt ist, ist der Vorgang für die Handwerkskammer erledigt und keine weiteren Maßnahmen möglich. Ist das richtig?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Ja!“

René Krombholz: „Im Grunde müssen dann aber Lohnzahlungen für einen Meister/eine Meisterin erfolgen. Hier gibt es aber Gesetzeslücken. Für eine Überprüfung der Löhne und Arbeitszeiten ist der Zoll zuständig. Dieser kann aber lediglich das anwesende Personal überprüfen, welches sich bei der Kontrolle im Salon aufhält. Es gibt keine Meldungen, wer eigentlich anwesend sein müsste. Wie es bei den regelmäßigen Prüfungen der Rentenversicherung aussieht entzieht sich leider unserer Kenntnis. Welche Möglichkeiten einer Überprüfung ergeben sich überhaupt noch?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Was die Kontrolle der Lohnzahlungen angeht, lassen wir uns im Zweifel von den Betriebsinhabern die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der Betriebsleiter vorlegen, zumindest müssen eine Betriebsleitererklärung und ein Anstellungsvertrag vorgelegt werden.“

René Krombholz: „Wenn ich ‚Friseur selbstständig ohne Meisterbrief‘ google, werden mir über 10.000 Ergebnisse angezeigt. Fast sieht es so aus, als wenn sich parallel zum Friseurhandwerk ein ganzer Geschäftszweig (mit dem Ziel hier Einnahmen zu generieren) etabliert hat. Ist das so?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Ich habe gerade die Stichworte gegoogelt: Es waren 6.450 Ergebnisse. Ich habe mir die Ergebnisse etwas näher angesehen: Das Gros der Domains erklärt, dass man auch ohne Meisterbrief einen Friseursalon eröffnen kann: Entweder durch Anstellung eines Betriebsleiters mit Qualifikation (Meisterbrief), als ‚Altgeselle‘ nach § 7 b HwO oder über die §§ 8 und 9 HwO. Dies ist alles rechtlich in Ordnung. Natürlich gab und gibt es Versuche, den Meisterbrief ‚zu kaufen‘ oder ‚zu  verkaufen‘. Den kriminellen Energien sind überall dort, wo ich Gesetze einhalten muss, keine Grenzen gesetzt. Entscheidend ist, dass wir alles tun müssen, ein unrechtmäßiges Ausüben des Friseurberufs (und anderer Handwerksberufe) zu unterbinden.“

René Krombholz: „Gerade jetzt, wo das Friseurhandwerk Umsatzeinbußen und Mehrkosten durch die Hygieneverordnungen hinnehmen muss, steigt der Zorn auf jene Betriebe, die sich an keinerlei Vorgaben und Regeln halten. Leider ist festzustellen, dass es sich meist um das gleiche Klientel wie im ersten Abschnitt handelt. Selbst Aufrufe in der Presse oder direkte Ansprache des Ordnungsamts haben uns hier in Düsseldorf nicht weitergebracht. Die Ordnungsbehörden sind, so haben wir es ja auch schon 2019 der Konferenz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit entnommen, unterbesetzt und überlastet. Auf breiter Front bedeutet das einen Freibrief für die schwarzen Schafe. Wie soll das weitergehen, lohnt es sich überhaupt noch auf ehrliche Art und Weise einen Betrieb zu führen?“

Dr. Axel Fuhrmann: „Aufgeben kommt nicht in Frage! Wir werden weiterhin für sauberen Wettbewerb gerade im Friseurhandwerk kämpfen. Mit unseren Schwarzarbeitsbekämpfern konnten wir in der Vergangenheit dazu beitragen, dass einige schwarze Schafe ihren Betrieb schließen mussten. In enger Abstimmung mit den Innungen und Ordnungsbehörden haben wir Erfolge vorweisen können. Aber es bleibt eine Sisyphus-Arbeit!“

Autor: Rene Krombholz für TOP HAIR INTERNATIONAL 

Das könnte Sie auch interessieren