Billigfriseur hart verurteilt
Berufungsverhandlung bestätigt das erste Urteil
Der Ehrengerichtshof des deutschen Handwerkstages zeigte am 17 April bei der Berufungsverhandlung gegen ein Urteil der Handwerkskammer Harburg ein besonderes Bild.
Der Sitzungssaal war für die Öffentlichkeit zugänglich und vollkommen überfüllt, die Plätze reichten nicht aus, was bewies dass der anberaumten Verhandlung eine besondere Bedeutung beigemessen wurde.
Um folgendes ging es in dieser Verhandlung:
nach Paragraph 59 und 60 der Handwerksordnung sind strafbar:
· die Verletzung der Standesehre und
· der Verstoß gegen den Gemeingeist, ferner
· unlauterer Wettbewerb und
· Übervorteilung der Kunden.
Der Beschuldigte war angelernter Friseur, übernahm später das Friseurgeschäft seiner Frau.
In den Verhandlungen wurde festgestellt dass der Beschuldigte in marktschreierischer Weise die Kundschaft auf seine Schleuderpreise aufmerksam machte.
Eine Schaufenster mit großen Buchstaben das Wort Haarschneidebetrieb - daneben die Preise. Deutlich billiger als bei seinen Mitbewerbern.
Ein halblanger Haarschnitt der bei normaler ordnungsgemäße Ausführung 20-35 Minuten Arbeitszeit in Anspruch genommen hätte wurde hier in diesem Betrieb in 8-10 Minuten erledigt.
Das hohe Gericht kam zu der Erkenntnis, dass die erbrachten Leistungen durchweg minderwertig sein mussten und nicht den Anforderungen entsprechen, die die Allgemeinheit an den Friseurberuf stellen muss.
Der Beschuldigte wurde zu einer sehr hohen Geldstrafe verurteilt.
Für das Gericht kam erschwerend hinzu, dass der Beschuldigte ganz klar gegen den Gemeingeist gehandelt hat, er kannte weder moralische noch rechtliche Bedenken, der Existenzkampf seiner Mitbewerber war ihm vollkommen unwichtig.
Dieses Urteil hat nur einen Haken: es stammt aus dem Jahr 1935.
Trotzdem interessant, hier zeigt sich nämlich auch die Entwicklung die unsere Gesellschaft, das Kundenverhalten, aber auch Politik, Rechtsprechung und Wirtschaft genommen haben.
Damals gab es noch das ehrbare Handwerk, Kunden die den Wert einer Arbeit schätzten, es gab Gesetze und Richtlinien die dieses ermöglichten und begleiteten, auch zum Wohl Aller!
Es gab Innungen und Verbände die dieses forcierten, überwachten, begleiteten und schützten!
Letztlich gab es aber auch in den Zünften Handwerker und Innungsmitglieder die sich daran – und auch zu Ihrer Zunft - hielten.
Heute 82 Jahre später genießen wir die Folgen zu großer Toleranz, Liberalität und Weichspülerei.
Zwar haben wir im Handwerk klare Regeln und Strukturen, diese werden aber von einigen Mitbewerbern weitgehend missachtet und unterlaufen.
Inzwischen hat sich eine Art Anarchie breitgemacht und die ganze Branche leidet.
Beispielsweise die Meisterpflicht die besagt, dass in jedem Salon ein Meister tätig sein muss.
Wer einen Salon eröffnen will muss also selber einen Meister Brief vorweisen, diesen innerhalb einer bestimmten Frist nachmachen oder einen Meister einstellen.
Das wird bei den Formalitäten, die vor Eröffnung eines Geschäftes notwendig sind, kontrolliert.
Gängige Praxis ist es inzwischen, kurz nach Geschäftseröffnung und innerhalb der Probezeit diese Meister wieder zu entlassen.
Das spart Lohnkosten.
Die Zahl der Betriebe hat sich nahezu verdoppelt, Bevölkerung ist nicht gewachsen. Das bedeutet deutlich weniger Kunden für jedes Unternehmen. Mobile Friseure und zahllose "Privat-Tätige" kommen hinzu. Es ist ebenso himmelschreiend wie unglaublich.!
Mitbewerber die dagegen Sturm laufen, werden abgewiesen.
So lesen wir soeben in den sozialen Medien von einem Kollegen: er hatte ein Unternehmen mit neun Salons (aber ohne Meister) gemeldet. Die Antwort der Innung lautete lapidar ‚dann haben wir wenigstens neun Beitragszahler‘.
Ermittlungen die eigentlich zur Schließung von gewisser Salons führen müssten, werden politisch boykottiert und nicht weiter verfolgt.
Als ausländerfeindlich oder rechtsradikal werden inzwischen Menschen tituliert, die behaupten dass hier Friseure bestimmter Herkunftsländer besonders auffällig wären.
Mir persönlich unverständlich: Menschen die aus nicht EU-Ländern kommen, reicht ein simpler Nachweis aus der Heimat, in dem behauptet wird, sie hätten irgendwann einmal als Friseur gearbeitet.
Ebenso unverständlich: rund 25.000 Friseurbetriebe geben an, weniger als 1.450,- € Umsatz im Monat zu erzielen.
In NRW ist das derzeit jeder DRITTE Salon. (29%) Hierdurch werden diese Betriebe als Kleinstunternehmer eingestuft und brauchen keine Umsatzsteuer (19%) an den Bund abzuführen.
Das ist ebenso unglaublich wie unglaubwürdig und unverständlich dann die Aussage des Bundesfinanzministeriums das solche Betriebe nicht geprüft werden.
Dazu gibt es zuwenig Beamte und die sind zudem zu teuer! so das BMF Ein Freibrief für Jeden der betrügen will… und wie die Zahlen zeigen wird davon reger Gebrauch gemacht.
Die Dummen sind die ehrlich arbeitenden Friseure, die haben nämlich den Schaden.
Der letzte Satz der Urteilsbegründung von 1935 hört sich heute wie ein Witz an:
Möge dieses Urteil -allen im Handwerk, die durch ihr berufsschädliches Verhalten andere Existenzen in Gefahr bringen, zur Warnung dienen.
Gemeinschaftsgeist und Rücksicht auf das Allgemeinwohl müssen im Volks und Berufsleben oberster Grundsatz sein!
Wenn das alles nicht so traurig und für viele Kollegen/innen existenzbedrohlich wäre, könnte man darüber sogar lachen.
Rene Krombholz
www.der-faire-salon.de