Erschreckend
Bundesweite Razzia im Friseurhandwerk zeigt erschreckende Ergebnisse
Verbraucher wundern sich über die unterschiedlichen Friseurpreise. Warum kostet der Haarschnitt für die Frau hier 9,50 €uro und eine Ecke weiter um die 60 €uro?
Die Preisspannen sind gewaltig, aber manchmal auch recht einfach erklärbar. Die Unterschiede liegen oft schon in der Art des Angebots: ein Cut & Go Haarschnitt *1 beispielsweise ist in 30 Minuten gefertigt, für den gleichen Haarschnitt mit Fönfrisur ist aber die doppelte Arbeitszeit erforderlich.
„Im Friseurhandwerk müssen heute zwischen 50 €uro und 60 Euro pro Mitarbeiter/in und Arbeitsstunde eingenommen werden!“ erklärt Obermeisterin Monika Schmitter, die ihren Salon in Düsseldorf betreibt und ergänzt: „wenn ein Männerhaarschnitt für 10,- €uro angeboten wird, dann sind Stunde für Stunde 5-6 Kunden notwendig um die Kosten zu decken!“
Frage der Qualität – aber auch der Ehrlichkeit
Haarschnitte im 10 Minutentakt?! Was bei simplen Trockenhaarschnitten noch einigermaßen funktionieren mag, wird bei anderen Behandlungen mehr als fraglich und wirft Fragen auf.
Das ist Akkordarbeit für die Mitarbeiter und damit wird nicht nur die Qualität fraglich.
Fachlich gut geschulte Mitarbeiter die fair bezahlt werden, Produkte jenseits vom Ramschniveau, Steuern und Abgaben die ordnungsgemäß gezahlt werden – das funktioniert nur mit Preisen ab 50- 60 Euro die Stunde.
„Die Preise beim Friseur enthalten in der Regel ca. 40% Lohnanteil plus 19% Umsatzsteuer,“ erklärt der Pressesprecher der Friseurinnung Düsseldorf, Rene Krombholz. Das bestätigen alle Branchenexperten und bemängeln einen hohen Anteil an Unregelmäßigkeiten. „Niedrigpreise beim Friseur sind in der Regel nur durch Einsparung an Lohn oder Abgaben realisierbar!“ so Krombholz.
Erschreckend!
Dieses wurde eindrucksvoll in der 14 KW / 2022 von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit durch eine Schwerpunktaktion im Friseurhandwerk bestätigt.
Bundesweit wurden 2049 Arbeitgeber überprüft. Noch vor Ort wurden 57 Strafverfahren und 88 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Darüber hinaus wird bei 1391 Sachverhalten weiter ermittelt. Das ergibt eine Trefferquote von 75 %. *2
Das Hauptzollamt Düsseldorf überprüfte 57 Friseursalons und Barbershops in den Städten Düsseldorf, Monheim, Ratingen, Langenfeld, Hilden, Wuppertal und Solingen. Die vorläufigen Ergebnisse sind auch hier erschreckend:
- Verdacht auf Mindestlohnverstöße in 18 Fällen
- Verdacht auf Beitragsvorenthaltung in 9 Fällen
- Verdacht auf illegale Ausländerbeschäftigung in 2 Fällen
- Verdacht auf Leistungsmissbrauch in 10 Fällen. *3
Ungesunde Marktentwicklung
Hier zeigt sich das Ergebnis einer negativen Branchenentwicklung in den letzten Jahren. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl der Friseurbetriebe in Deutschland nahezu verdoppelt, während die Bevölkerung kaum gewachsen ist. Das führt zu einem extremen Verdrängungswettbewerb, der durchweg über den Preis ausgetragen wird. Das verhindert nach Aussage des ZV *4 eine gesunde Marktentwicklung.
Steuer- oder Sozialversicherungsbetrug, Unterschreitung des Mindestlohns, Schwarzgeld - dass sind keine Kavaliersdelikte. Auch wenn solche Handlungen aus der Not heraus und im wirtschaftlichen Überlebenskampf entstehen, so ist das keine Entschuldigung. Die leidtragenden sind hauptsächlich die Mitarbeiter, über deren Löhne seit vielen Jahren diskutiert wird.
Somit sind diese Schwerpunktaktionen des Zolls ein Weg in die richtige Richtung und wird von den Verantwortlichen im Friseurhandwerk schon lange gefordert. Nur so werden künftig schwarze Schafe eliminiert und vernünftige Löhne realisiert werden können.
Zukunftsperspektive
Für die Mehrzahl der bundesdeutschen Salons, besonders für die, im unteren bis mittleren Preissegment tätigen ist eine Preisanhebung von 20-30 % unvermeidbar.
Der neue Mindestlohn, steigende Energiekosten und höhere Materialkosten lassen keinen Spielraum bei den ohnehin geringen Margen. Von allen Handwerksberufen steht das Friseurhandwerk deutlich abgeschlagen an allerletzter Stelle, wenn es um die Wertschöpfung (Umsatz) pro Mitarbeiter geht.
Problemzonen im Friseurhandwerk:
die hohe Zahl der in den letzten Jahren entstandenen Männersalons mit Niedrigpreisen.
Viele davon haben keine Zulassung für Haarbehandlungen sondern dürfen nur Bärte schneiden und rasieren. Dieses wird aber kaum kontrolliert.
Ebenso bedenklich ist die Zahl der, von der Umsatzsteuer befreiten, Kleinstunternehmen.
Steuerbefreit sind diese Betriebe, weil sie angeben über eine Gesamteinnahme von 20.000 € im Jahr nicht zu überschreiten. Das entspricht einem Monats Gesamtumsatz von 1.666 €uro und bedeutet bei durchschnittlicher Gewinnspanne im Friseurhandwerk von 17,5% einen Unternehmerlohn / Gewinn von wenigen Hundert €uro im Monat.
In Düsseldorf unterliegen rund 30% der Friseurunternehmen dieser Steuerbefreiung.
Vollkommen unglaubwürdig, das weiß man auch im Finanzministerium, sieht aber (bisher) davon ab, diese Betriebe zu überprüfen. Die zu erwartende Einnahme an Steuernachzahlungen und Strafen steht in keinem Verhältnis zum Kostenaufwand der prüfenden Beamten.
*1 = Cut & Go Dienstleitungen bedeutet: schneiden und gehen (ohne Service, ohne Föhnfrisur)
*2 = Quelle: Generalzolldirektion Bonn
*3 = Quelle: Hauptzollamt Düsseldorf
*4 = Quelle: Zentralverband des Friseurhandwerks, Köln