Wenn wenig Umsatz lohnenswert wird ...
Wie politische Entscheidungen dazu führen das der ehrliche der Dumme ist.
Friseurmeister Ehrlich ist stolz auf seinen gutgehenden Salon.
Mit drei Mitarbeiterinnen und einem Jahresumsatz von 112.000 €uro gehört er zu den Vorzeigebetrieben dieses Handwerks.
Nur noch knapp 27,12 % der deutschen Friseurbetriebe sind in der Lage, einen solchen Jahresumsatz zwischen 100.000,- €uro und 250.000 €uro zu erwirtschaften.
66 % der Friseur Unternehmen verzeichnen einen Umsatz zwischen 17.500,- €uro und 100.000,- €uro
Ganze 7 % liegen über 250.000.- €
Trotzdem ist Friseur Ehrlich verärgert!
Der Betrieb seines Kollegen Klein ist ihm ein Dorn im Auge. Meister Klein lockt mit günstigen Preisen, die Ehrlich nicht bieten kann.
Der Gewinn im Salon Ehrlich ist, im Vergleich zu anderen Gewerken, eher mager. Eigentlich müssten die Preise rauf.
„Wir sind Handwerker, Stundensätze unter 50,- € sind wirtschaftlich sehr bedenklich und trotzdem muss ich mich immer wieder fragen lassen, warum einige meiner Mitbewerber so viel preiswerter sein können!“ so der verärgerte Ehrlich
Die Erklärung für diese Preisunterschiede ist recht einfach:
Salon Klein existiert von angeblichen 90,- €uro Umsatz am Tag.
Das sind monatlich 1.850,- € beziehungsweise 22.000 €uro Jahresumsatz.
Solange Friseur Klein diese 20.000,- € Jahresumsatz nicht überschreitet, ist er von der 19 % igen Umsatzsteuer befreit, und kann diese Ersparnis als Direktgewinn verbuchen und seine Preise anders kalkulieren.
Kollege Ehrlich hat das Nachsehen und sieht dies als Wettbewerbsverzerrung.
So sehen es auch Verbände und viele Friseur-Unternehmern als Kritiker dieser Regelung, denn inzwischen gelten 26 % der Deutschen Friseurunternehmen als umsatzsteuerbefreite Kleinstunternehmer.
Vieffach taucht an dieser Stelle Kritik auf!
Das kann man nicht verallgemeinern, Vorverurteilung, Frechheit alle der Schwarzgeldumsätze zu bezichtigen.... ! Die Empörung ist groß.
Fakt aber ist: wirtschaftlich müssten diese Selbstständigen, wenn sie alleine tätig sind, Stundensätze von ca. 100,- € erarbeiten um rentabel zu sein.
Hier müssen nicht nur sämtliche Kosten des Betriebes vom Unternehmer selbst erarbeitet werden, sondern auch sämtliche Arbeitgeber UND Arbeitnehmer Anteile der Sozialversicherungen.
Hier - wie aber auch in anderen Umsatzgrößenklassen, bleibt den Unternehmern offiziell aber kein adäquates Einkommen, da darf es dan auch mal unbequeme Fragen geben.
Nahezu jeder Vierte Friseursalon spart die sonst abzuführenden 19% Umsatzsteuer.
Das trägt dazu bei, dass sich die Preise nicht marktgerecht entwickeln können.
Das verhindert notwendige Entwicklung und höhere Löhne.
Nicht nur die Finanzbehörden, auch Insider wissen, dass hier kräftig geschummelt wird. Trotzdem passiert nicht viel.
Der Kostenaufwand ist zu hoch um hier zu prüfen‘, befand vor Jahren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Eine Einladung zum Steuerbetrug, die gerne angenommen wurde.
Keine andere Umsatzgrößenklasse im FH ist in den letzten Jahren so gewachsen wie die unter 20.000,- € Jahresumsatz.
Und die können recht gut davon leben.
Da diese Betriebe nicht ausbilden, kaum Werbung oder Weiterbildung betreiben, liegt der Gemeinkostenanteil deutlich niedriger.
Mitarbeiter sind in Dienstleistungsberufen der Kostenfaktor Nr.1, auch hier fallen beim Kleinstunternehmen keine Ausgaben an, bei Waren und Produkte ist der Niedrigpreis und nicht die Qualität maßgebend.
Während Friseurmeister Ehrlich von seinem Gewinn noch Einkommensteuer und Krankenkasse abziehen muss, kann Meister Klein nur lächeln.
Einkommensteuer zahlt er nicht. Auch der Beitrag zur Krankenkasse ist ab 2019 (Dank SPD und Koalition) halbiert.
Damit wird die Schummelei noch lohnenswerter!
- So ist es möglich, dass Friseur Klein als Kleinstunternehmer am Ende des Monats ein ähnliches verfügbares Einkommen in der Tasche hat wie Friseur Ehrlich.
- Eine weit verbreitete Situation im Deutschen Friseurhandwerk. Regional unterschiedlich gibt es 25% bis über 30% steuerbefreite Kleinstunternehmen, die eine marktgerechte Entwicklung erschweren bis verhindern.
- Die Inhaber dieser Unternehmen hätten die Möglichkeit, als Mitarbeiter ein deutlich höheres Einkommen nebst besserer Altersvorsorge zu erzielen. Warum dieses nicht genutzt wird, kann man nur vermuten.
Es gibt es eine sehr hohe Zahl von kleinen Salons, die über einen Umsatz von 100.000,- € nicht hinauskommen.
Damit haben sie im besten Fall einen Gewinn von 20% (1.660,- € brutto im Monat) und liegen beim verfügbaren Einkommen neben ihren Mitarbeitern oder sogar darunter. Auch hier wird es ohne „kreative Buchführung“ nicht so ganz gehen.
Ein Problem, welches aus der Not heraus bei vielen entstanden ist und wächst.
Dieses Beispiel basiert auf Durchschnittswerten (EVA Betriebsvergleich).
Selbstverständlich gibt es individuelle Abweichungen nach Oben und Unten. Der Trend ist dennoch erkennbar… unternehmerischer Einsatz und Verantwortung lohnen immer weniger… ! Zumindest finanziell……Selbst "große" Friseurunternehmer bestätigen dieses.
Es bedarf eines schnellstmöglichen Richtungswechsels um langfristig Verbesserungen herbeizuführen. Eine Abschaffung der Kleinstunternehmerregelung ist durch EU Recht nicht möglich, daher müssen andere Lösungen in Betracht gezogen werden:
a) eine zeitliche Befristung der USt. Steuerbefreiung für Kleinstunternehmer
b) verstärkte Kontrollen, besonders für Kleinstunternehmer
c) ein Umdenken aller Betroffenen hinsichtlich Ehrlichkeit und nachhaltiger Wirtschafts-Ethik.
d) Rechnungen aus Kleinstunternehmen unterliegen nach § 19 Abs. 1 UstG dem Vermerk: "Kein gesonderter Ausweis von Umsatzsteuer“ Eine weitere Kenntlichmachung der Kleinstunternehmen (nach Außen) wäre ebenso angebracht wie weitere Aufklärung in Richtung Verbraucher...
und vor allen Dingen ….. wir brauchen ein Umdenken bei den Friseuren selbst!
Dieser Beitrag stammt von Rene Krombholz, Initiator der Wertegemeinschaft „der faire Salon“, die im November 2018 den 10. Geburtstag feiert. Rene Krombholz ist selbst Friseurunternehmer, Fachautor und Betreiber des Branchenportal www.friseur-news.de und /.at, außerdem Vorstandsmitglied der Friseurinnung Düsseldorf.
Ziel der Gemeinschaft ist es, ehrlich und fair agierenden Unternehmen Wissen und Rückhalt zu vermitteln, dem Niedrigpreis Qualität und Werteorientierung entgegenzusetzen.
Inzwischen folgen über 200 erfolgreiche Friseurunternehmen aus ganz Deutschland dem „Kodex für das Friseurhandwerk in Europa“ und nutzen diese Mitgliedschaft als Alleinstellungsmerkmal in einem hart umkämpften Markt. Immer mehr Verbraucher suchen nach werteorientierten Unternehmen, auch für Mitarbeiter ist dieses Kriterium bei der Stellenauswahl immer wichtiger geworden.
Der faire Salon > Verbraucherportal „Der faire Salon“
Der faire Salon > Zugang für Friseure im Friseurportal friseur-news.de
Anmerkungen / Quellenhinweise
*1) Durchschnittswerte aus Wella EVA Betriebsvergleich 2016 / Salons bis 125.000 Umsatz netto
*2) hier fehlen in der Regel Weiterbildung, Werbung, Service. Aus diesem Grund wurden die
Gemeinkosten geringer angesetzt.
*3) Der Gewinn mit 15,1% (Salon Ehrlich) entspricht ebenfalls dem Wella Betriebsvergleich. Dennoch
ist zu beachten, das die individuelle Gewinnsituation auch weiteren Faktoren wie Miete oder
Steuerklasse ect. Unterliegt und hier nur einen Trend aufzeigen kann.
*4) Am 10. Oktober 2018 wurde eine Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2019
beschlossen. Der Bundesrat stimmte dem „Entwurf eines Gesetzes zur Beitragsentlastung der
Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung“ schließlich teilweise am 18. Oktober 2018
zu. Genauer heißt es (Zitat):
….. Außerdem ist die Entlastung kleiner
Selbstständiger geplant, die sich in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichern
wollen. Die SPD spricht in den sozialen Medien von bis zu 50% Entlastung.
JAHRESUMSATZ | Betriebe |
unter 17.500 | 19.351 |
17.500 bis 50.000 | 18.275 |
50.000 bis 100.000 | 17.409 |
100.000 bis 250.000 | 14.739 |
250.000 bis 500.000 | 2.806 |
500.000 und darüber | 1.111 |
Quelle: Jahresbericht Friseurhandwerk 2017